THE PERIDOCTUS
Kapitel 5

Die Rollenfindung

Olo, unser Freund mit dem gelben Körper und den weißen Beinen, hat schon viele verärgert. Der schelmische Olo versteht es, Menschen und Peridots gleichermaßen mit seinen Tricks und Schelmereien auf die Nerven zu gehen. Gelegentlich brachte er die Menschen jedoch auch zum Lachen – genauer gesagt hat er ihnen vielleicht ein- oder zweimal pro Woche ein Kichern entlockt. Schallendes Gelächter hat er selten hervorgerufen, und diejenigen, die lachten, waren nie das Ziel seiner Tricks. Und wenn sie es doch einmal waren, lachten sie garantiert nie wieder mit Olo.

Je größer Olo wurde, desto mehr forderte er von seinem menschlichen Guardian: mehr Streicheleinheiten, mehr gemeinsames Spielen, mehr Ausflüge in den Wald. Doch Olos menschliche Freundin ignorierte seine Wünsche. Sein Guardian war eine Teenagerin und wurde selbst häufig ignoriert. Die anderen empfanden sie als zu jung, um ihr wichtige Aufgaben anzuvertrauen. Nach dem Großen Regen haben die Guardian-Ältesten sogar ihre Hilfe beim Wiederaufbau der zerstörten Hütten abgelehnt. Niemand sah das Potenzial in ihr, und manche bemerkten sie überhaupt nicht.

Deshalb verfiel sie in große Gleichgültigkeit. Langweilige Aufgaben wurden noch langweiliger. Sie versorgte Olo zwar, war dabei aber nicht besonders liebevoll. Das Futter, das sie ihm gab, war geschmacklos. Auf Umarmungen ließ sie sich nie ein. Sie wartete fast auf den Tag, an dem Olo sie verlassen würde, und dachte sogar darüber nach, kein weiteres Peridot aufzunehmen. Das lag nicht daran, dass Olo nicht liebenswürdig gewesen wäre (das war er!), sondern an ihrer Überzeugung, dass die Peridots einen engagierten Guardian verdient hätten.

Im benachbarten Wald stürzte ein riesiger Baum mit grauer Rinde, die so zerfurcht war wie die Haut eines Reptils, auf eine Wasserquelle, wodurch diese beinahe versiegte. Der Boden unter dem Baum wurde immer feuchter und verwandelte sich in Schlamm. Das war die einzige Quelle, aus der die Menschen und Peridots in diesem Lager Wasser gewinnen konnten. Wie sollte es ohne Wasserquelle noch Wasseralgen für die Peridots geben? Was sollten die Menschen trinken, und wie sollten sie sich waschen? Selbst mit vereinten Kräften konnten sie den Baum nicht wegbewegen. Die Guardian-Ältesten schlugen mit Steinen auf den Stamm ein, in der Hoffnung, diesen in zwei Teile zu spalten. Olos Guardian sah aus der Ferne zu und wusste, dass es Monate dauern würde, diesen Stamm zu zerteilen. Sie ging in Richtung des Baumes, um die anderen darauf hinzuweisen, doch als sie die finsteren Gesichter der anderen sah, kehrte sie direkt wieder um.

Sie ging gleichgültig zum Lagerfeuer zurück, in ihrem Gesicht war weder Freude noch Verärgerung zu erkennen. Olo versuchte, sie mit ein paar Tricks zu unterhalten, doch sie schloss lieber die Augen.

Olo wurde immer unruhiger. Das Hochland war ganz in der Nähe, und Olo wollte unbedingt die kleine Gebirgskette erkunden. Zwei spitze Felsen ragten aus der Gesteinsebene hervor, die etwa so lang und so breit wie zwei Lagerplätze waren. Doch dafür waren sie hoch, und der Weg war felsig und kurvenreich. Olo machte sich trotzdem auf den Weg. Je höher er kam, desto tiefer atmete Olo ein und aus. Der Weg war beschwerlich für Olo, doch als er fließendes Wasser hörte, folgte er dem Geräusch zu einem abgelegenen Ufer. Er konnte auch das gegenüberliegende Ufer sehen. Zwischen den beiden Ufern strömte ein Fluss. Das Land war nur wenig höher als der Fluss. Olo konnte Rehe beobachten, die Maifische aus dem Fluss aßen.

Olo war ein neugieriges Dot, deshalb näherte er sich dem Uferrand und tauchte eine Pfote in das fließende Wasser. Die kräftige Strömung brachte Olo aus dem Gleichgewicht, und es gelang ihm trotz aller Mühen nicht, dieses wiederzuerlangen. Er stürzte in den Fluss.

Die Wellen waren zu stark und zu gewaltig. Olo versuchte, gegen sie anzuschwimmen, doch bald verließ ihn die Kraft. Der Fluss riss Olo mit sich, doch selbst als ein steiler Wasserfall auftauchte, geriet er nicht in Panik. Sein Schicksal war fast besiegelt – es müsste ein Wunder geschehen, damit es nicht als Tragödie endet. Kurz vor dem Wasserfall verengte sich der Fluss. War das das erhoffte Wunder?

Je näher der Wasserfall kam, desto schnell hob und senkte sich Olos Brust. Er neigte seinen Schweif nach links, griff ihn mit der Kraft von zehn Peridots und drückte seine rechte Pfote auf seine Brust. Sein Herz klopfte immer lauter und lauter und lauter…

Doch dann

schnellte ein ausgestreckter Arm von der Uferseite, griff nach Olos Schweif und zog seinen Körper aus dem Wasser – direkt vor dem Wasserfall, den Olo wahrscheinlich nicht überlebt hätte.

Olos Herz klopfte immer noch sehr laut. Doch als er seinen Blick vom Wasser ab- und seinem Retter zuwendete, war die Freude in seinen Augen zu erkennen. Es war sein Guardian, und sie umarmte Olo auf eine Weise, wie es Eltern tun, die gerade die Liebe zu ihrem Kind entdeckt haben. Für Olo gab es keine größere Erleichterung als die Wärme, die die Umarmung einer vertrauten Person spendete.

Olos Guardian hatte ihrem Peridot nur wenig zu sagen. Auch sie musste erst wieder zu Atem kommen. Nachdem die Verzweiflung aus ihrem Gesicht gewichen war, überkam sie eine neue Zuversicht, die sie zum Lächeln brachte. Vor diesem Moment hätte sie nicht gewusst, wie sie den anderen mitteilen sollte, dass sie einen Fluss entdeckt hatte. Würden die Guardian-Ältesten ihren Worten Glauben schenken? Oder würden sie sie ignorieren, wie so viele Male zuvor? Doch diese Gedanken, die sie früher so oft hatte, bereiteten ihr jetzt keine Sorge mehr. Die Rettung ihres Peridots hatte ihre Selbstzweifel in Selbstvertrauen verwandelt. Wenn niemand ihr zuhören würde, würde sie sie schon dazu bringen.

Mit neuem Mut machte sich Olos Guardian auf den Weg zum umgestürzten Baum. Olo folgte ihr treu. Dort sah sie, wie die Männer, darunter die Guardian-Ältesten, hilflos versuchten, den Baum zu zerteilen. Sie verkündete laut und deutlich in der damaligen Sprache, dass sie eine neue Wasserquelle gefunden hatte und die Menschen ihr folgten sollten, wenn sie sich waschen oder Nahrung anbauen wollten.

Langsam bildete sich eine Menschenschlange, die Olos Guardian ins Hochland folgte. Die Guardian-Ältesten blieben zurück und versuchten weiter, den umgestürzten Baum zu spalten, bis ihre Arme und Hände müde wurden. Als sie allein und durstig waren, erkannten sie ihre Torheit und folgten den Spuren ihrer Freunde ins Hochland. Als sie ankamen, waren Menschen und Peridots schon dabei, ein neues Lager am Fluss zu errichten. Manche Guardians spielten mit ihren Peridots, andere fischten. Wieder andere pflanzten Blatttomatensamen in der Nähe des Wassers. Die Guardian-Ältesten konnten es kaum glauben. Als Olos Guardian an ihnen vorbeiging, versuchten sie unbeholfen, sich bei ihr zu entschuldigen. Sie ging jedoch weiter, ohne sie zu beachten. Neben einem Kaktus hielt sie an, akzeptierte die Entschuldigung, drehte sich um, und ging weiter.

Wenn die Menschen oder Peridots jemanden brauchten, um Wunden zu versorgen oder Medizin herzustellen, wendeten sie sich an Olos Guardian. Sie nannten sie Tawnis, und in ihrer neuen Rolle ging sie voll und ganz auf. Diese Rolle übertrugen ihr die Menschen und Peridots nur zu gern, was nicht nur an ihren medizinischen Kenntnissen lag, sondern auch an ihrer Entschlossenheit. Sie würde immer einen Weg finden, eine Krankheit zu heilen … und auch Skepsis.

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